Ich habe viele solcher Situationen, in denen ich mich durch mitleidige Blicke minderwertig gefühlt habe, als Kind, als Jugendliche und auch als erwachsene Frau unzählige Male erlebt.
Heute kann ich gut damit umgehen, weil mir ein neuer Blick auf mich und andere dabei hilft!
Mitleidigen Blicken mit Freundlichkeit begegnen
Mit jedem Jahr, das ich älter wurde, habe ich gelernt, besser mit mitleidigen Blicken umzugehen. Auch habe ich sie mit der Zeit weniger wahrgenommen oder schaffe es sogar meistens freundlich drüber hinwegzusehen. Ich beziehe heute nicht mehr jeden Blick auf meine Behinderung.
Damit möchte ich sagen, dass sich alles zum Guten wenden wird, wenn man Geduld hat und den Blick aufs Wesentliche behält.
Mitleid oder Mitgefühl - wo ist der Unterschied?

Mitleid hilft nicht weiter
Mitleid bedeutet „mitleiden“. Jemand der Mitleid mit mir hat, „leidet mit“ und übernimmt meine Situation zum eigenen Problem.
Die andere Person macht eine Sache zu ihrer, die sie eigentlich gar nicht betrifft. Sie macht sich Sorgen, denkt über meine Angelegenheit nach, macht mein Leben zum eigenen Leiden.
Es wird fremde Energie in etwas investiert, das niemanden, am wenigsten mich als Betroffene, weiterbringt.
Mitgefühl tut gut
Mitgefühlt bedeutet dagegen wirklich „mitfühlen“. Mir wird zugehört, meine Ängste und Sorgen werden wahr genommen, ich bekomme Rückhalt und Verständnis. Jemand “fühlt mit“ mir mit.
Nach dem Gespräch mit mir, ist das Thema für die andere Person erledigt. Eventuelle Sorgen und Traurigkeit bleiben bei mir und bestimmen nicht das Leben des Mitfühlenden. Der oder die andere grenzt sich ab!
Mitleid hat nichts mit mir zu tun
Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass, wenn jemand mich mitleidig betrachtet oder behandelt, es nichts mit mir zu tun hat.
Dies möchte ich mit einem Beispiel so erklären:
Nehmen wir mal an, ein Mensch wächst in einem Umfeld auf, in dem er wenig Wertschätzung erfährt, ihm wenig Eigenverantwortung gegeben und ihm selten etwas zugetraut wird. Die Folge ist häufig, dass diese Person, nennen wir sie einfach mal Peter, sich selbst wenig wichtig nimmt und sich häufiger als Opfer fühlt als jene Menschen, denen schon früh Achtung und Anerkennung entgegengebracht wurde.
Kaum jemand fragt nach wie es mir wirklich geht
Nun begegnet Peter einem Kind, das beispielsweise im Rollstuhl sitzt oder nur schwer gehen kann. Scheinbar ist dieses Kind hilflos oder bedauernswert. Aber selten oder nie fragt Peter wie es so einem Kind (oder auch Erwachsenen) wirklich geht. Automatisch nimmt er an, dass dieses Kind nicht alles kann, arm und daher bedauernswert ist. Ist das nicht eine Art Überheblichkeit so zu denken? Niemand, auch nicht Peter, weiß von vorneherein wie sich der Mensch mit Behinderung (oder dessen Elternteil) fühlt und ob es ihm gut geht mit der Situation oder nicht.
Jede Annahme ist grundsätzlich falsch
Es wird einfach angenommen, dass man mit „so einer schweren Behinderung“ einfach nicht zufrieden oder gar glücklich sein kann.
Meine eigenen Erfahrungen haben mich gelehrt, dass nicht der Mensch im Rollstuhl (oder mit einer anderen Art von Behinderung) das Mitleid braucht, sondern viel mehr braucht der Mensch, der mitleidig auf uns schaut unser Mitgefühlt. Er braucht vor allem ein gestärktes Selbstvertrauen, dass er genau so richtig ist, wie er eben ist.
Was können wir daraus schließen?
Wir sind alle wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft
Jene Menschen, die mit ihrem eigenen Leben hadern, die vielleicht selbst nicht genug Liebe oder Anerkennung, Lob oder Zuspruch erfahren haben, werden dich/mich/uns mitleidig oder von oben herab betrachten.
Jedoch Menschen, die mitten im Leben stehen, mit sich selbst im Reinen sind, reflektiert auf sich, ihre Wertigkeiten und auf die Welt schauen, werden dir/mir/uns niemals mit Mitleid begegnen, sondern uns anerkennen als das was wir sind, nämlich vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft.
Erkennst du die gute Nachricht?
Diese mitleidigen Blicke haben nichts, rein gar nichts, mit dir, mir, uns Menschen mit Behinderung zu tun!
Gute Aussichten, oder?